Eindrücke aus Tunesien ein Jahr nach der Revolution (II)

Wird in Tunesien mit dem Messer missioniert?

Wird in Tunesien auch mit dem Messer missioniert? (Kreuzfahrer in Jerusalem)

Wird in auch mit dem Messer missioniert? (Kreuzfahrer in Jerusalem)

Eindrücke aus Tunesien ein Jahr nach der Revolution (II)

Kürzlich hatten wir aus Tunesien berichtet, dass ein Jahr nach der Revolution die politische Zukunft des Landes unserer Einschätzung nach völlig offen sei. Dieser Eindruck von Tunesien, dem Land, das sich in diesem Sommer wohl wieder in ein Touristen-Paradies verwandeln wird, hat sich nicht grundsätzlich geändert. Wohl aber haben wir mittlerweile aus erster Hand von einem der bereits zuvor angedeuteten Vorfälle berichtet, unter denen im nachrevolutionären Tunesien insbesondere Frauen seitens selbsternannter Rechtgläubiger (Islamisten? ? Darauf kommen wir noch.) zu leiden haben. Wie immer, wenn eine anonyme Nachricht plötzlich ein – bekanntes – Gesicht bekommt, schaut man nachher ein bisschen anders auf seine unmittelbare Umgebung als vorher; in diesem Fall auf eine Kleinstadt im nahem Umkreis der tunesischen Hauptstadt Tunis.

Wird in Tunesien mit dem Messer missioniert?

Die Art und Weise des Vorfalls wirft dabei durchaus die grundsätzliche Frage auf, womit man es beim in Tunesien lange unterdrückten politischen Phänomen des mehr oder minder radikal verstandenen im konkreten Alltag zu tun hat. Die besagte Frau aus unserem Bekanntenkreis – eine in Tunesien lebende Algerierin – schilderte, eine Woche nach dem Vorfall noch sichtlich erschüttert, den Hergang so: Sie sei gegen 15 Uhr am Nachmittag von der Arbeit in Richtung einer nahegelegenen Bushaltestelle gelaufen, als eine Dreiergruppe von zwei Männern mit Bart und weißer Kopfbedeckung und einer verschleierten Frau sie angehalten und höflich nach er Uhrzeit gefragt habe. Als sie, um auf die Frage zu antworten ihre Handtasche öffnen und ihr Mobiltelephon herausholen wollte, habe ihr der eine Mann ein Messer in die Seite gedrückt und ihr verboten, zu schreien oder sich zu bewegen.

Beim Missionieren gleich Handy und Geld mitgenommen

Es folgte eine peinliche Befragung, warum sie ohne unterwegs und auch sonst falsch gekleidet sei. Dies sei eine Schande und ein Vergehen gegen das Gesetz Gottes und sie werde sich dafür rechtfertigen müssen. Die Angegriffene antwortete in Panik, sie sei nicht von hier, wie man ja an ihrer Aussprache des Arabischen hören können. In ihrer Heimat sei das Tragen des Kopftuches nicht üblich und überhaupt solle man doch bitte alles nehmen – Geld, Telephon, was man wolle – und sie bitte verschonen. Weitere Fragen in der geschilderten Art, Beschimpfungen und Drohungen prasselten hernach auf die “Ungläubige” ein. Bis man sie schließlich ihrer Habe beraubte, auf den Boden stieß und sich verzog. Die im Nachhinein verständigte Polizei riet der Frau, sie solle doch beim nächsten Mal einfach ein tragen, worauf diese mit erfreulichem Trotz erwiderte, sie sei nicht von 20 Jahren von Algerien nach Tunesien gekommen, um sich nun zu verschleiern. Schulterzucken seitens der in Tunesien früher allmächtigen Beamten.

Die Wahrheit der heiligen Bücher

Die Geschichte illustriert, dass die politischen Umwälzungen in Tunesien, sich in einer Art und Weise, buchstäblich “auf der Straße” bemerkbar machen, die jedwede politische Absichtserklärung gerade der islamischen Mehrheitspartei jederzeit zu konterkarieren vermögen. Wer aber sind die Leute, die mit dem Messer missionieren gehen und, wo sie schon einmal eine Situation der herbeigeführt haben, diese noch gleich zum bewaffneten Raub nützen? Sind das Islamisten, Salafisten, schlicht Ganoven mit einer neuen Masche? Man ist geneigt, die böse Frage zu stellen, wo denn die Beute abgeliefert wurde – in der Moschee oder im Räuberhauptquartier? Dass wir uns nicht täuschen: Das Christentum ist über Jahrhunderte hinweg mit Juden, „Ketzern“, „Indianern“ und sonstigen “Falsch- und Ungläubigen” auch nicht anders umgegangen. bedeutete ebenso oft wie Raub und Mord – meist beides.

Die alte Erkenntnis, dass es in der Wirklichkeit nie darum geht, was “eigentlich” in einem heiligen Buch steht, sondern immer nur darum, was man damit machen kann, bleibt im Tunesien des Jahres 2012 jedenfalls ebenso wahr, wie sie es 1099 in Jerusalem war.

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  • Gast

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    Die Geschichte illustriert, dass die politischen Umwälzungen in Tunesien, sich in einer Art und Weise, buchstäblich “auf der Straße” bemerkbar machen, die jedwede politische Absichtserklärung gerade der islamischen Mehrheitspartei jederzeit zu konterkarieren vermögen.
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    Tun sie das? Oder sind sie nicht vielmehr ein Spiegelbild der herrschenden politischen, religiösen, Klasse, die ja bekanntlich selbst in sich nicht geschlossen ist, sondern vom linken bis zum rechten Rand reicht? Oder, noch einen Schritt weiter gegangen, vielleicht auch spiegelt sie ja nicht nur diese Verhältnisse, sondern will Tatsachen schaffen, um damit dem politischen Arm die Rechtfertigung des Bevölkerungswillens zu ermöglichen.