Komposition

Das Klavierkonzert Nr. 1 von Tschaikowsky

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky

Pjotr Iljitsch Tschaikowsky

1. Einleitung

Peter Iljitsch Tschaikowsky wurde am 7. Mai 1840 in Kamsko-Wotkinsk (Ural) als zweites von insgesamt sechs Kindern geboren. 1852 zog die Familie nach St. Petersburg. Ein schmerzliches Ereignis war der Tod der Mutter, die 1854 an Cholera verstarb. Bereits 1859 begann Tschaikowsky die Laufbahn eines Justizbeamten, um sich dann aber ab 1861 für das Studium der zu entscheiden. Er studierte am St. Petersburger Konservatorium bei N.I. Zaremba, einem ganz der Tradition verpflichteten Meister der alten Schule, sowie und Flöte. Tschaikowsky musste zeitlebens um Anerkennung ringen, wurde als Komponist verachtet und verkannt, gilt heute aber als einer wichtigsten russischen Komponisten überhaupt. Peter Tschaikowsky verstarb am 6. November 1893 aus nicht geklärten Gründen (Cholera bzw. Freitod).

2. Das Klavierkonzert Nr. 1, , op. 23, von Tschaikowsky

Ab September 1863 besuchte Tschaikowsky in St. Petersburg zusätzlich die Orchesterklasse von Anton . war noch ganz dem Klang des alten Orchesters – im Prinzip ein durch Posaunen und Ventilhörner erweitertes Kammerorchester – verhaftet. Instrumente wie Englischhorn, Tuba oder Harfe, welche Tschaikowsky gern verwendete, lehnte er vollständig ab. Auch das Verhältnis Tschaikowskys zu Rubinsteins Bruder Nicolai, mit dem er befreundet war, blieb nicht ohne Spannung.

Am Weihnachtsabend des Jahres 1874 war Tschaikowsky bei Nicolai Rubinstein eingeladen, um sein soeben vollendetes Klavierkonzert Nr. 1 in b-Moll vorzuspielen. Der Komponist hat den Verlauf des Abends selbst geschildert: „Ich spielte den ersten Satz. Nicht ein Wort, nicht eine einzige kleine Bemerkung folgte … Oh, wenn es nur ein Wort, ein kleiner freundschaftlicher Tadel gewesen wäre! … Ich begehrte ein Urteil nicht über den künstlerischen Wert meiner Arbeit, sondern über seine klaviertechnische Ausführung. Das Schweigen Rubinsteins war beredt … Ich wappnete mich mit Geduld und spielte mein zu Ende. Wieder Schweigen! ‚Nun?’ fragte ich und erhob mich vom Flügel. Und jetzt endlich ergoß sich von Rubinsteins Lippen ein wahrer Wasserfall: freundlich noch zu Beginn, steigerte er sich bald zum Wutanfall eines fürchterlich grollenden Donnergottes. Mein sei verachtenswert, einfach unspielbar und voller wirrer, zusammengestückelter und linkisch gesetzter Passagen …; das Werk sei schlecht, platt und gewöhnlich, und zudem hätte ich noch hier und da von anderen gestohlen; nur ein paar Seiten seien wenigstens von einigem Wert, bei dem großen Rest sei es dagegen besser, ihn entweder vollständig zu vernichten oder aber von Grund auf neu zu gestalten … Und das Wichtigste, nämlich den Ton, in dem das alles vorgebracht wurde, vermag ich noch nicht einmal wiederzugeben. Ein unvoreingenommener Beobachter der Szene hätte annehmen müssen, ich sei ein völlig talentloser Tölpel, irgendein Federfuchser ohne alle kompositorischen Kenntnisse, der den frevelhaften Mut besessen habe, seinen Kehricht vor ein Genie zu tragen … Das war eine Verurteilung in einer Form, die mich tödlich verletzen mußte. Ich verließ das Zimmer ohne ein Wort und ging nach oben … Wenig später kam Rubinstein mir nach, und da er sah, wie verstört und erregt ich war, bat er mich in ein abgelegenes Zimmer. Dort wiederholte er noch einmal, mein sei unmöglich, wies mich auf zahlreiche Partien hin, die völlig umgearbeitet werden müßten, und schloß endlich mit dem Angebot, er wolle mein , wenn ich es nach seinen Ratschlägen umgeformt hätte, selber spielen.“
Tschaikowskys Antwort war eindeutig: „Auch nicht eine Note werde ich ändern; meine Komposition wird so veröffentlicht, wie sie jetzt ist.“

Tschaikowsky änderte an dem Konzert nicht eine Note, sondern schickte es dem Pianisten und Dirigenten mit der Bitte zu, sich ein Urteil zu bilden. Dieser hatte an dem Konzert nichts auszusetzen, ließ es vom Orchester einstudieren und saß bei der Uraufführung 1875 in Boston persönlich am Klavier. Zu wahrem Erfolg verhalf ihm dann doch noch Rubinstein, der seine Meinung zu dem Werk geändert hatte und 1878 eine legendäre Aufführung in Paris gab. Von dort trat das Werk einen regelrechten Siegeszug an; es wurde zu dem am häufigsten eingespielten Klavierkonzert überhaupt und wird darin bis heute von keinem anderen Konzert übertroffen.

Der Orchesterapparat besteht neben den Streichern aus 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotten, 4 Hörnern, 2 Trompeten, 3 Posaunen und den Pauken – also einer ganz und gar ‚klassischen’ Besetzung.

2.1. Erster Satz

Gewaltig, majestätisch, feierlich und leicht verständlich – das sind wohl die entscheidenden Merkmale der berühmten Eröffnung des Klavierkonzertes Nr. 1 von Tschaikowsky. Dieses berühmte Eröffnungsthema bleibt allerdings ausschließlich auf die Introduktion (Allegro non troppo e molto maestoso) beschränkt. Hier erscheint es insgesamt dreimal. Es beginnt mit einem kurzen motivischen Hornruf im Fortissimo, begleitet von den Schlägen des gesamten Orchesters, dann wird es von den 1. Geigen und den Celli vorgestellt und vom Soloklavier akkordisch umspielt. Daraufhin übernimmt es der Solist selbst, um es sofort virtuos auszuweiten und zu steigern. Beim dritten Mal wird es schließlich vom gesamten Streichkörper intoniert, während sich das Klavier wiederum in akkordische und rhythmische Paraphrasen verliert. Nach der letzten Vorstellung des Eröffnungsthemas verliert sich die Introduktion in einer Art Trauerfanfare der Blechbläser, die auf eine düstere Wende hinzuweisen scheint.

Statue von Tschaikowsky in St. Petersburg

Statue von Tschaikowsky in St. Petersburg

Stattdessen führt sie jedoch zu dem eher tänzerischen Hauptthema des Allegro con spirito. Das motivische Material dieses Satzes besteht aus einem Haupt- und zwei Seitenthemen. Das leicht geziert wirkende Hauptthema in b-Moll wird sogleich vom Klavier übernommen, das wenig später erscheinende, leicht melancholisch angehauchte 1. Seitenthema wird kurz von den Holzbläsern angekündigt, um dann sofort vom Soloinstrument übernommen, entwickelt und ausgestaltet zu werden. Das etwas lebhafter mit rhythmischen Verschiebungen charakterisierte 2. Seitenthema bleibt eher dem sehr leise agierenden Orchester mit den sordinierten 1. Violinen als Melodieträger vorbehalten.

Im weiteren Verlauf dieses Satzes wird das motivische Material weiterentwickelt und einander gegenübergestellt, vor allem in den oft weit ausladenden Kadenzen des Soloklaviers.

2.2. Zweiter Satz

Ein besonders schönes Beispiel musikalischer Erfindungsgabe stellt das Andantino semplice dar. Es handelt sich um ein gefühlvoll-zartes und dabei leicht eingängiges Thema, das uns den eher volkstümlichen Tschaikowsky demonstriert.

Der Mittelteil des zweiten Satzes bringt eine überraschende Wendung. Das Thema des Andantino erscheint als huschendes Prestissimo, quasi als ein geisterhafter Schatten, vielleicht auch als Parodie seiner selbst, bevor es wieder zur Ruhe des ersten Zeitmaßes zurückkehrt (Tempo I).

2.3. Dritter Satz

Der Finalsatz Allegro con fuoco ist auf dem brillanten Rhythmus eines russischen Volkstanzes aufgebaut und steckt voll raffinierter rhythmischer Ideen.

Der Schluss (Molto meno mosso) dieses genialischen Klavierkonzertes besitzt einen festlich-fröhlichen Charakter, der den Bogen zur feierlichen Pathetik des Beginns besonders eindrucksvoll spannt und so das Konzert beendet.

Bildquelle: Wikimedia Commons

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