Nicht nur in Gaza geht Politik über Leichen

Über Leichen gehen

Ueber Leichen gehen: Gaza 21. November© Getty Images

Ueber Leichen gehen: 21. November

Über Leichen gehen

Über Leichen gehen ist politischer Alltag, genauer gesagt über Leichen hinweggehen. Das war immer so und wird entgegen anderslautender Illusionen auch immer so bleiben. Warum also darüber schreiben? Nun, ab und zu tut es wohl not, daran zu erinnern, was das bedeutet, über Leichen zu gehen. Denn geflügelte Worte – und “über Leichen gehen” ist eine solche Phrase – haben es an sich, dass sie mit der Zeit, gewissermaßen mit dem Erwerb der Flügel, beinahe nur noch im übertragenen Sinne und weit seltener im wörtlichen verwendet werden. Dabei geht viel von der Wahrheit verloren, die zu Beginn in ihnen steckte. Schließlich gab es einmal einen Grund, sie von der Tatsachenbeschreibung zur Metapher zu erheben. Was ist also eigentlich “aufgehoben” im sprichwörtlichen über Leichen Gehen?

Nicht nur in Gaza geht über Leichen

Geht man über Leichen, geht man – wir deuteten es bereits an – eigentlich über Leichen hinweg. Man setzt seinen Weg fort, ohne sich vom Ende der Existenz eines anderen Menschen aufhalten oder auch nur sonderlich beeindrucken zu lassen. Man schaut vielleicht nicht einmal (oder gerade nicht) hin, geht über Leichen hinweg seinem angestrebten Ziel entgegen. Höchstens als “Kollateralschaden” wird der Tod des anderen Individuums wahrgenommen, vielleicht noch mit irgendeinem Geschwätz verbrämt. Unausweichlich, zwangsläufig, notwendig, unumgänglich, tragisch ist das dann. Aber keine noch so schöne Presseerklärung kann über den dem über Leichen Gehen zugrunde liegenden Tatbestand hinwegtäuschen: Für den, der über Leichen geht, ist der eigene Weg, das eigene Ziel (gerne ein “höheres”) wichtiger als das Leben eines anderen. Punkt.

Der Zweck und die Mittel

Der Zweck heiligt also die Mittel. Fügt man hinzu, dass alles erlaubt ist, solange man damit durchkommt, haben wir beinahe eine Komplettdefinition der Politik erreicht. Empört? Lesen sie bei nach; niemand sonst hat zuvor und seitdem das über Leichen Gehen so offen als Inhalt von Politik formuliert. Beispiel aus der Gegenwart gefällig? Wie viele Worte haben Sie von Bundesaußenminister über die 154 Toten Palästinenser, darunter Frauen und Kinder, im zurückliegenden Bombardement Gazas gehört? Eben. Staatsräson heißt das dann. Und diese beinhaltet auch, sich in der Abstimmung über den künftigen Status Palästinas in den Vereinten Nationen zu enthalten. (Nebenbei: Was für eine Position soll eigentlich eine Enthaltung sein?) Womit man dann diejenigen im --Konflikt stärkt, die ohnehin ohne Zögern über Leichen gehen: die Hamas, den Islamischen Dschihad, die “Falken” in Israels Regierung und Militär. So ist das eben.

Aber Moment; wir haben von Zielen, Zwecken und einem eingeschlagenen Weg gesprochen, die die Mittel – und das über Leichen gehen – rechtfertigen. Gibt es diese Ziele und Wege gegenwärtig überhaupt in der auf den Israel-Palästina Konflikt bezogenen (nicht nur deutschen) Außenpolitik? Und wenn nein, wo ist dann die Rechtfertigung für das Gehen über Leichen? Hier brechen wir lieber ab; Logik ist in der Politik eine stumpfe Waffe. Steht sicher auch irgendwo zum Nachlesen.

Themenverwandte Artikel, die Sie auch interessieren könnten: