Der Tod als Spiegel der Euro-Krise: Günstig sterben bevorzugt

Günstig sterben, bitte.

Günstig sterben, bitte.

Was sagen uns Zahlen über ein Land, wenn sie zeigen, dass immer mehr seiner Bewohner günstig sterben wollen? Nichts Gutes, so würden wir vermuten. Aber “günstig sterben”, was soll das sein? Ist nicht der nicht nur neben der Steuer das einzig sichere auf dieser Erden, sondern im Gegensatz zu jener auch gratis? Nun, nicht für die Angehörigen. Und an diesem Punkt beginnt das Nachdenken über günstiges Sterben. Nun ist die geschäftliche Seite des Todes ohnehin eine zumindest schwarzhumorige. Die Art von Trend aber, die gegenwärtig in in puncto günstig sterben zu beobachten ist, ist dazu angetan, selbst eingefleischten -Fans (“Komm’ süßer Tod”) das Lachen zu vergällen. Denn Spaniens Universitäten, genauer gesagt die pathologischen Abteilungen der Universitätskliniken können sich im Moment vor Zulauf kaum retten: Zulauf mit den Füßen voran, wohlgemerkt.

Der Tod als Spiegel der Euro-Krise: Günstig sterben bevorzugt

In dem von Immobilien-Blase und Euro-Krise schwer beschädigten Land, das für uns Deutsche wie sonst nur Italien den sonnigen Süden verkörpert, gehört günstig sterben, also die Angehörigen vor den Kosten eines Begräbnisses zu bewahren, gegenwärtig zum guten Ton. Und am günstigsten stirbt der, der seine sterblichen Überreste weder begraben noch verbrennen lässt, sondern sie der Wissenschaft spendet. Wie weit das geht, zeigen Berichte von Krankenhaus-Leitern, die mittlerweile ihre Pathologie für Neuzugänge sperren lassen oder Spender an bis zu 1000 km entfernte „Konkurrenz-“ Institutionen verweisen. Allein 2012 schlug sich der Wille, so günstig wie möglich zu sterben, in einer Steigerung der Körperspenden an Lehrkrankenhäuser von 25 % nieder. Das ist keine schöne Zahl und zusammen mit einer deutlich gestiegenen Selbstmordrate gerade unter Spaniens zu 50% arbeitslosen jungen Menschen, weist sie auf Dimensionen der derzeitigen Krise hin, die kein Rettungsschirm wird abmildern können – wenn das überhaupt beabsichtigt ist.

Komm, günstiger Tod

Auf den ersten Blick beinahe im Kontrast zum günstig Streben hingegen steht eine andere Zahl: Die Zahl der Verkehrstoten auf Spaniens Straßen fiel 2012 um 46%. Für die vergangene Woche konnte die staatliche spanische Verkehrsagentur zum ersten Mal seit Beginn der Aufzeichnungen 1960 vermelden, dass nur ein einziger Mensch einem Verkehrsunfall auf der Autobahn zum Opfer gefallen war. Des Rätsels Lösung heißt in dem Fall natürlich nicht günstig sterben, sondern günstiger leben: Die Spanier fahren schlicht wesentlich weniger mit dem Auto. Ein Blick auf die Friedhöfe wiederum bringt uns wieder zum günstig Sterben zurück, denn auch nach der Bestattung fallen ja weiter Kosten an. Allein in Palma de Mallorca haben deshalb 6200 Grabeigentümer die jährliche (!) Liegegebühr von € 10,50 nicht bezahlt und zwingen somit die Friedhofsverwaltung, die betroffenen Liegestätten über kurz oder lang zu räumen. Und das nota bene im katholischen Spanien. Günstig sterben für den Euro also? Wer weiß. Komm, günstiger Tod.

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