Bautechnik

Fachwerk

Fachwerk - Raiffeisenhaus in Eschwege

- Raiffeisenhaus in Eschwege

1. Allgemeines

Fachwerk ist eine Skelettbauweise, wobei im Allgemeinen das tragende Gerüst aus dem Baustoff (seltener Metall) besteht. Das Stützwerk wird aus senkrechten, waagrechten und schrägen Konstruktionselementen gebildet. Die gewichtsparende Stabkonstruktion (Ständerbauweise) wird vor allem bei der von Häusern, Brücken, Türmen und im Flugzeugbau eingesetzt. Man bezeichnet damit eine Bauweise, bei der zuerst das Gerüst errichtet wird, dessen Zwischenräume (Gefache) durch -Flechtwerk, Bohlen und Stroh-Lehm-Gemisch, beworfenen Stecken oder mit Bruch- und Ziegelsteinen ausgefüllt werden.

Die waagrechten Träger heißen Schwelle (unten) und Rähm (oben), die senkrechten Stützen nennt man je nach Größe Ständer, Stiele oder Pfosten. Zur Stabilisierung dieses Rahmens werden schräg verlaufende Streben oder Bänder eingesetzt. Bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts war im deutschen Südwesten verblattetes Fachwerk die Regel. Von Verblattung spricht man, wenn Streben und Ständer jeweils so tief eingeschnitten sind, dass sie an der Fassade auf der gleichen Ebene übereinander zu liegen kommen. Im Volksmund wird diese Konstruktionsart als „alemannisch“ bezeichnet. Sie wurde in Württemberg durch die herzogliche Bauordnung von 1568 verboten, lebte jedoch, besonders in Dachkonstruktionen, noch einige Zeit weiter.

Demgegenüber bezeichnet man die jüngere Konstruktionsart traditionell als „fränkisches Fachwerk“, obwohl auch dieses nicht nur in Süd-, sondern auch in Mitteldeutschland vorkommt. Die dort angewandte Technik der Verzapfung schuf ein insgesamt elastischeres Holzskelett. An der Schnittfläche eines der zu verbindenden Hölzer wurde ein Zapfen herausgeschnitzt, der dann wie ein Keil in den Schlitz des anderen Holzes eingefügt wurde. Als um 1500 dieses Konstruktionsprinzip aufkam, war gleichzeitig durch den Zeitgeschmack der Renaissance das Verlangen nach reichhaltigen Dekorationselementen vorhanden.

Wird das „alemannische Fachwerk“ vor allem kraft seiner statisch offen liegenden Konstruktion geschätzt, so besticht der so genannte fränkische Fachwerktyp durch die Verspieltheit seiner Ornamentik. Andreaskreuze, Feuerböcke, Rosetten, Rauten, Schnitzwerk an Pfosten und Ständern sowie Putzintarsien sind Teil dieses reichhaltigen Formenrepertoires, das um 1600 seinen Höhepunkt erreicht hatte.

Das Hauptelement des Fachwerkes bildet der sogenannte Ständer (deshalb wird der Fachwerkbau auch oft als „Ständerbau“ bezeichnet), der in der Praxis auch als Stil oder Stab bezeichnet wird. Während man ihn früher tief in die Erde rammte, wird er heute auf eine Schwelle aufgesetzt, die auf einem Fundament ruht. Man umgeht damit eines der größten damaligen Probleme: der schnell einsetzenden Fäulnis an den verwendeten Stämmen.

Zur Decke hin bildet der sogenannte Rähmbalken den Wandabschluss. Dazwischen findet man die Riegel, die den Freiraum für die Gefache erzeugen (Riegel über Fenstern bezeichnet man als Sturzriegel und diejenigen, die unter Fenster liegen, als Brüstungsriegel). Zur Verstärkung dieser Konstruktion setzte man schräg verlaufende Streben ein. Den Abschluss bilden die Deckenbalken, die auf die ausgekehlten Enden der Stiele gelegt werden.

2. Geschichte

Die Wurzeln des Fachwerks sind bei uns im frühen Mittelalter zu finden, in dem die ersten größeren Ortschaften gegründet und ausgebaut wurden. Die Bauweise selbst entstand jedoch schon 10 000 – 6 000 vor Christus. Die Vorläufer unserer heutigen Fachwerkbauten waren einfache Hütten und Pfostenbauten. Man erstellte ein tragendes Skelett aus Holz. Beim Pfostenbau wurden die senkrechten Holzstützen des Hauses in den Erdboden eingegraben. Aus Fäulnisgründen wurden die Pfosten später nicht mehr in das Erdreich eingegraben, sondern auf Steine oder andere Unterlagen gesetzt. Das führte dazu, daß die Wände nun stärker gesichert werden mussten, um sie vor dem Umkippen zu bewahren.

An dieser Stelle beginnt eigentlich die Geschichte des Fachwerkbaus. Denn jetzt wurden mehrfach gesicherte Konstruktionen nötig. Innerhalb der Wandbereiche wurden Hölzer (Streben) schräg gestellt und Riegel eingefügt. Allein mit diesen zwei Konstruktionselementen konnten die seitlich einwirkenden Kräfte abgefangen und die Wand statisch gesichert werden. Lange Zeit blieb die Sicherung der Ständer zum Erdboden hin noch ein Problem.

Erst im 15. Jahrhundert wurde es allgemein üblich, die Ständer auf durchgehende Schwellen zu setzen und diese durch ein Fundament gegen Feuchtigkeit zu schützen. Mit dieser Konstruktion war die Entwicklung des Fachwerks weitgehend abgeschlossen. Änderungen sind nun eher in den gestalterischen und dekorativen Elementen zu finden.

Zwischen 1450 und 1550, in der Ablösezeit der Gotik hin zur Renaissance, erfolgte noch einmal eine Weiterentwicklung und Ausgestaltung der konstruktiven Möglichkeiten des Fachwerkbaus. In der Gotik waren die Fachwerkhäuser schmucklos und dienten lediglich Wohnzwecken, wogegen die Renaissance wahre Prachtbauten entstehen ließ, die sich gegenseitig an Schönheit und Baukunst übertrafen. Das eigene Heim wurde zum Aushängeschild des eigenen Wohlstandes.

Neben dem einfachen „Mann“ und dem „Andreaskreuz“ entstanden raffinierte Kombinationen der verschiedensten einzelnen hölzernen Bauelemente, wie beispielsweise der „Wilde Mann“ oder der „Stil mit Fußbändern“. Nicht weniger bedeutend waren dabei die zahlreichen Schnitzereien, die oft farblich betont wurden und die das Holzgerüst von der Schwelle bis zum Dachbalken schmückten. Die häufigsten Figuren sind Halb- und Vollkreismonde, Sonnenrosen- und Fächerrosettenornamente und symbolische Zeichen. Der fünfzackige „Drudenfuß“, „Sechsstern“, Schlange, Lebensbaum oder Tauben sind nur einige Motive, die zu sehen sind. Aber auch vielfältige bunte Figuren und Masken findet man.

Neben seiner technischen Vollendung erlebte das Fachwerk vom 16. bis ins 17. Jahrhundert in der Schnitzkunst der Hausgiebel seine höchste Blüte. Im Gegensatz zu Süddeutschland, wo die einzelnen Wandgefache mit künstlerisch gestalteten Querstreben ausgefüllt waren, bewahrte das norddeutsche Fachwerk auch bei reichen Giebelschnitzereien weitgehend den strengen Charakter des rein konstruktiven Balkenwerkes. Hinzu kam der Einfluss der Renaissance auf die Gestaltung der Schmuckelemente an den Fachwerkfassaden. Die erhaltenen stellen noch heute gleichsam ein Lesebuch dar für den tiefgreifenden Bewusstseinswandel, der sich in dieser Zeit vollzog.

Seit dem hohen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert war der Fachwerkbau die am weitesten verbreitete Bauweise für Hochbauten nördlich der Alpen. Fachwerkbauten sind jedoch auch aus den holzreichen Gegenden des ehemaligen osmanischen Reiches von Bulgarien bis Syrien bekannt. Der Lehm als Ausfachungsmaterial ließ sich einfach und kostengünstig vor Ort ausgraben (oft aus der Baugrube). Auch Holz war meist eher verfügbar als geeignete Steine und ließ sich vor allem leichter transportieren (auf dem Wasserweg geflößt).

Winzerhaus Retzbach am Main (fränkisches Fachwerk)

Winzerhaus Retzbach am Main (fränkisches Fachwerk)

Grundsätzlich lassen sich zwei Arten der Verzimmerung unterscheiden: der ältere mittelalterliche Ständerbau (auch Geschossbau oder Säulenbau genannt), bei dem die Wandständer von der Schwelle bis zum Traufrähm durchgehen und der jüngere ab etwa 1600 gebräuchliche Rähmbau (auch Stockwerksbau genannt), bei dem jedes Stockwerk als in sich geschlossene „Kiste“ hergestellt und diese „Kisten“ übereinander gestapelt werden. Hier kommt es oft vor, daß das obere Stockwerk etwas über dem unteren Stockwerk hervorragt. Neben senkrechten und waagerechten Hölzern sind auch schräg verlaufende Hölzer notwendig, um das Gefüge zu stabilisieren.

Konstruktivisch änderte sich der Rähmbau nicht mehr, lediglich die Schmuckformen wandelten sich über die Jahrhunderte. Besonders in der Anordnung der schrägen Hölzer kam es in jüngerer Zeit (seit dem 15. Jahrhundert) zu schmuckartigen Gestaltungen. Gestaltungsmöglichkeiten boten darüber hinaus geschnitzte Reliefs, Muster oder Inschriften. Hier werden in Deutschland drei Stilgruppen unterschieden: Es ist das Alemannische Fachwerk, das vor allem im süddeutschen Raum zu finden ist. Eine weitere Stilgruppe ist das Fränkische Fachwerk, das vor allem in Thüringen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zu finden ist. Und schließlich das Niedersächsische Fachwerk, das vor allem im norddeutschen Raum vorkommt.

Im Laufe der Geschichte hat es mehrere Beispiele für die unterschiedliche Wertschätzung der Fachwerkbauweise gegeben. So galten die Fachwerkhäuser im 18. und 19. Jahrhundert als besonders brandgefährdet. Wer es sich leisten konnte, baute in Stein oder verputzte sein Fachwerkhaus.

3. Bauteile

Das Fachwerk ist ein besonderes statisches System, bei welchem keine Biegemomente auftreten. Es treten nur Normalkräfte (Längskraft im Stab) auf. Beim Hausbau werden die Wände durch ein Gerüst aus Holz gebildet, dessen Zwischenräume (Gefache) ein Holzgeflecht mit Lehmbewurf ausfüllt. Die Gefache können jedoch auch mit Backsteinen (oft in Norddeutschland) ausgemauert sein, mit Lehmbausteinen verbaute Gefache werden verputzt. Man unterscheidet dabei zwischen dem mittel- und oberdeutschen Firstsäulenbau sowie dem niederdeutschen Zweiständerbau bzw. dem Vierständerhaus.

Als Holzart wird zumeist Stieleiche oder Traubeneiche verwendet, später auch Nadelgehölze, da sie witterungsbeständig sind und Fäulnis widerstehen. Die Hölzer haben einen Querschnitt von 10 x 10 bis 18 x 18 cm. Aufeinander treffende Teile werden meist verzapft und mit Holznägeln gesichert. Dabei werden die Löcher leicht versetzt gebohrt, damit die Zapfen ins Zapfenloch gezogen werden. Die verwendeten Holznägel haben einen Durchmesser von etwa 2 cm und sind mindestens 2 cm länger als die Stärke des Balkens beträgt, sie stehen also über.

Die Zwischenräume wurden meist mit Lehm gefüllt. Lehm ist der meist verbreitete und am längsten erprobte Baustoff der Welt. Ob in Europa, Afrika oder Asien: Man kennt ihn als guten Baustoff. Weltweit finden sich jahrhundertealte Häuser, die heute noch intakt sind. Lehmhäuser können sehr alt werden und erzeugen ein gesundes und angenehmes Wohnklima, da Lehm hervorragende Eigenschaften hat: Es wirkt holzkonservierend, feuchtigkeitsregulierend sowie wärmedämmend und -speichernd.

Bildquelle: Wikimedia Commons

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