Ein Wintermantel für die Bildung?

Bildungsstreik gegen Bologna

Humboldt-Universität Berlin

Streik an der Humboldt-Universität Berlin

Die Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz zu und -Reform an den Universitäten.

Sie müssen den Kalauer im Titel schon verzeihen, aber manchmal muss man auch die einfachen mitnehmen. Und was Margret Wintermantel, die Vorsitzende der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) diese Woche von sich gab, schreit ohnehin nach wenig zimperlichem Umgang.

Selbst die Frankfurter Allgemeine Zeitung stimmt in der Beurteilung der Studentenproteste in Deutschland mittlerweile den zahlreichen Experten zu: Im Kern haben die Studierenden recht, wenn sie auf Veränderungen drängen und die Mißstände einer vollkommen verpfuschten und auch von Anfang an wenig durchdachten Reform anprangern. Eine besonders durchdachte und prägnante Stellungnahme war letzte Woche in der Sendung “Kulturzeit” auf 3Sat von Julian Nida-Rümelin zu hören, Professor für Philosophie und ehemaliger Kulturbeauftragter des Bundes.

Im FAZ-”Hochschulanzeiger” geht es zwar weiterhin nur um ein möglichst wirtschaftsfreundlich-stromlinienförmigesSchnellstudium statt um die Frage der Zukunft der akademischen in Humboldt’s own country, aber das lassen wir hier mal beiseite.
Auch die opportunistische Kehrtwende der Bundesbildungsministerin, die es fertig bringt, innerhalb von 2 Wochen völlig Gegenteiliges über den sogenannten “Bologna-Prozess” zu äußern, erwähnen wir hier nur am Rande: Frau Schavan scheint sich ohnehin in der Grundschule deutlich wohler zu fühlen.

Es müsste deutlich geworden sein, dass das eigentliche Thema der “Bildungsdiskussion” im Moment die Frage sein müsste, was für einen Stellenwert Bildung in der “Bildungsrepublik” (Angela Merkel) Deutschland haben soll. Und was dieses Gut uns wert ist, in einem Land, das im OECD-Vergleich der Bildungsausgaben jämmerlich abschneidet und das dennoch – übrigens gerade an US-amerikanischen Spitzenuniversitäten – immer noch als Wiege der neuzeitlichen universitären Tradition angesehen wird.

Und dann: Auftritt Prof. Dr. Margret Wintetrmantel. Jahrgang 1947, Professorin für Sozialpsychologie und ehemalige Präsidentin der Hochschule des Saarlandes, Ritterin der Ehrenlegion (!), Trägerin der Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse.
Was fällt ihr zum Thema ein? “Es bewegt sich schon etwas, aber die Studierenden sind furchtbar ungeduldig.”

Nachdem ich diesen Satz vernommen und mich notgedrungen hingesetzt hatte, kam mir ein ähnlich schöner Beitrag eines ordentlichen Professors an der Freien Universität Berlin zum selben Thema (allerdings bereits vor einigen Jahren) in den Sinn: “Die Studenten sollen froh sein, dass sie hier eine so gute Ausbildung bekommen.” Zu deutsch: “Schnauze!”.

Aber bei Frau Wintermantel liegt es komplizierter. Was soll das heißen, “furchtbar ungeduldig”? Zwei Lesarten drängen sich, abgesehen von der Frage, ob und was sich tatsächlich bewegt, auf:

Haben die Studierenden vielleicht bereits aus ihren übervollen Bachelor-Stundenplänen gelernt und wissen, dass Zeit ein entscheidender Faktor ist? Dann wäre Frau Wintermantels Aussage paradox.

Oder haben die Studierdenden vielleicht bemerkt, dass für sie extrem viel auf dem Spiel steht? Ihre berufliche und damit auch gesellschaftliche Zukunft vielleicht? Mit einem Abschluss in der Hand, von dem die meisten Arbeitgeber sich (zurecht) fragen, was er wert ist?
In diesem Fall erinnert sich die HRK-Präsidentin vielleicht nur zu sehr an ihre eigene Studienzeit: 1970 war ein abgeschlossenes Studium die Garantie für einen sicheren und meist attraktiven Arbeitsplatz.

Die Zeiten haben sich geändert, kein Grund zur Ungeduld?

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