Die Wahrheit über Stuttgart 21

Vom Bürger zum Feind

Vom Bürger zum Feind

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Die Wahrheit über liegt nicht in den Einzelheiten des Polizeieinsatzes im Stuttgarter Schlossgarten, die voraussichtlich vor Gericht geklärt werden. Wer wissen will, was – Verzeihung! – zum Teufel passiert sein muss, wenn aus einem seit beinahe 20 Jahren geplanten Infrastrukturprojekt ausgerechnet in Baden-Württemberg Schlagzeilen wie “ im Schlosspark” erwachsen, muss woanders suchen. Die Antwort war allerdings in den Aussagen der Landesminister Rech und Goll zu vernehmen, die nach den Ereignissen Stellung nahmen. Und sie lautet: Für die Politik ist der Bürger zum Feind geworden.

Die Wahrheit über Stuttgart 21

Eigentlich hätte Innenminister Rech sich im ZDF heute-Journal als politisch Verantwortlicher für den eindeutig missglückten Polizeieinsatz gegen Demonstranten am 30. September entschuldigen müssen. Und zwar wohlgemerkt sowohl bei den mit Wasserwerfern und Tränengas traktierten Demonstranten als auch bei den Polizeikräften, die die Inkompetenz der Politik wieder einmal, ganz physisch, auffangen durften. Statt dessen beschwerte er sich zunächst darüber, dass aus einer angemeldeten Schülerdemonstration ein Massenauflauf geworden war. Von fast ausschließlich friedlichen Menschen, müsste man hinzufügen, von denen viele sich zum ersten Mal überhaupt an einer Demonstration beteiligt hatten, da sie ansonsten genau das sind, wofür man die Schwaben gemeinhin hält: Brave, eher konservativ eingestellte Bürger, eben nicht der Feind – oder “Gegner”, wie der Minister sich vielsagend ausdrückte.

Rech: “Kinder wurden instrumentalisiert”

Ja liest der Mann keine Zeitung?, wollte man fragen. Dass im Moment jede Demonstration gegen Stuttgart 21 größer ausfällt, als vielleicht auf dem Anmeldeformular des Ordnungsamts verzeichnet ist, darf das Innenministerium nicht unerwartet treffen. Und wenn doch, muss man dort wohl umstrukturieren.
Es kam aber noch besser. Von Marietta Slomka darauf angesprochen, dass ja nicht ein “Schwarzer Block” von Links-Automomen der Polizei entgegengetreten war, sondern “normale Bürger, Anzugträger, Frauen und Kinder”, entrüstete sich Rech allen Ernstes über die Mütter und Väter, die ihre Kinder für politische Zwecke instrumentalisierten.

Goll: “Menschen sind wohlstandsverwöhnt”

Justizminister Goll setze in der Financial Times Deutschland am Montag noch einen drauf: “Unduldsam und wohlstandsverwöhnt”, sei das Stuttgarter “Halbhöhenpublikum”, das lediglich Angst vor dem Baulärm in der Stadt habe.
Man traute seinen Ohren nicht. Da fliegt einer schwarz-gelben Koalition in ein demokratisch beschlossenes Prestigeprojekt donnernd um die Ohren. Aber anstatt zu fragen, wie man Stuttgart 21 so schlecht hat kommunizieren können, dass Mütter mit ihren Töchtern statt zum Klavierunterreicht zur Demo gehen, wird die eigene Klientel zum Feind erklärt und beleidigt.

Fehlt noch Bahn-Vorstand Grube, der neuerdings offenbar als Verfassungsexperte tätig ist: “Ein Widerstandsrecht gegen einen Bahnhofsbau gibt es nicht”, schreibt er in der Bild am Sonntag.

Den einschlägigen Artikel des Grundgesetzes hätten wir dann doch ganz gern gesehen.

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