Über Heimat und zu Hause
Heimat Deutschland?
Freitag, 25. Januar 2013 von AK

Heimat gibt es nur in Deutschland?
Gibt es Heimat nur in Deutschland?
Wir wussten es eigentlich immer: Heimat gibt es nur in Deutschland. Zumindest aus anglophoner Sicht ist das so. Denn, wie uns die englische Wikipedia belehrt, für das deutsche Wort Heimat gibt es keine exakte Entsprechung im Englischen – im Französischen übrigens auch nicht. Heimat, so lesen wir weiter, habe irgendetwas mit der Beziehung zwischen Mensch und einer “spatial social unit” zu tun, einer “räumlich bestimmten sozialen Sphäre”, so wollen wir einmal übersetzen. “Beziehung zwischen Mensch und Raum” steht – in der Abweichung irgendwie bezeichnend – in der deutschen Ausgabe derselben Netz-Enzyklopädie. Heimat, Mensch, Raum in einem Satz; da wären wir definitiv schon irgendwo auf sehr deutschem Gebiet, oder nicht?
Der muffige Geruch
Offen gesagt hatten wir von Heimat immer geglaubt, dass uns dieses Konzept nicht wirklich beträfe, zumindest nicht in Sinne eines Staatsgebiets. Heimat, das war doch diese muffige Ecke, in der es nach abgestandenem Blumenkohl roch; nach Maggi und dieser Glutamat haltigen Fertigwürzmischung, bei deren Geruch wir das soeben betretene Restaurant stets wieder verlassen hatten. Und nun? Nach vierzehn Monaten Abwesenheit von dieser uns zugemessenen „Heimat“ – hat sich diese Beziehung zu jener räumlich bestimmten sozialen Sphäre geändert? Nicht grundlegend oder, um weiter der Nase nach zu gehen, Heimat hat für uns ihren muffigen Geruch nicht verloren. Wir fragen uns noch immer, warum die englisch sprechende Welt ganz gut mit “home” zurechtkommt, die Franzosen mit dem niedlichen “berceau” (“Wiege”) und nur wir Deutschen etwas so schwer-plumpes wie “Heimat” benutzen. Mentalitätssache?
Heimat und zu Hause
Doch halt. Ja, ihren olfaktorisch-weltbürgerlich begründeten Schrecken hat das Wort Heimat für uns nicht verloren; vielleicht verstehen wir es aber nun besser, zumindest zum Teil. Nicht den Teil von Heimat, der Fahnen schwenken möchte; den noch immer nicht. Aber den anderen, kindlich-naiven, der eine Umgebung beschreibt, die viel kleiner ist, als ein Staatsgebiet, in der man sich aber ohne zu fragen, ohne Nachzudenken, zu Hause fühlt. Warum? Nun, sie mag vielleicht schlecht riechen, diese Heimat, aber man kennt den Geruch eben schon so lange. Man “kennt den Code”, könnte man auch sagen: man kennt sich aus, muss weder fragen noch bangen, um seine Wege zu finden, weiß, wie die Menschen um einen herum so ticken. Heimat als Erholungsraum? Ja, irgendwie schon. Die Abwesenheit von materieller Not vorausgesetzt (nota bene!), lebt es sich in der Heimat, in derjenigen sozialen Sphäre, in die hinein man sozialisiert worden ist, vermutlich am leichtesten und eben nicht im Südsee-Paradies, zumindest nicht auf Dauer.
Brauchen wir also diese Beziehung, diese Heimat? Ja, irgendwie schon, so sehr wir uns sträuben. Ganz ohne Wurzeln geht es für uns wohl nicht, aber wir sagen trotzdem lieber zu Hause.
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Info zum Beitrag: Heimat Deutschland?
Veröffentlicht am Freitag, den 25. Januar 2013 um 10:42 Uhr
Kategorien: Tag der Wahrheit
Tags: Blumenkohl, Deuschland, Geruch, Glutamat, Heimat, Mensch; Sozialisation, Staatsgebiet
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Frank Poschau
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Frank Poschau